Schon in unserem Corona-Newsletter sind wir der Frage nachgegangen, ob der Auftragnehmer aufgrund der Corona-Krise gegenüber dem Auftraggeber etwaige Stillstandskosten, insbesondere für Personal und Nachunternehmer nach § 642 BGB geltend machen kann (z. B. fehlende Bereitstellung des Baufelds durch den Auftraggeber). Ein wesentlicher Teil der Literatur hat dies wie folgt beurteilt: Zwar trage der Auftraggeber das zeitliche Risiko. Das Gesetz sehe aber in finanzieller Hinsicht keine allgemeine Risikozuweisung zulasten des Bestellers vor. Dies führe zu dem Grundsatz: Fristverlängerung ja, Geld nein.
Allerdings hat der BGH in seiner am 20.03.2020 veröffentlichen Grundsatzentscheidung (Urteil vom 30.01.2020 – VII ZR 33/19) zum Annahmeverzug ausgeführt, dass § 642 BGB die Verteilung des vertraglichen Risikos regelt, ohne dass eine der Parteien hieran ein Verschulden trifft. Danach trifft das Risiko für das Ausbleiben einer Mitwirkungshandlung – hier baureifes Baugrundstück / erbrachte Vorleistungen – grundsätzlich den Auftraggeber. Soweit ein Vorunternehmer eine Leistung „coronabedingt“ nicht erbringt, fällt dies also grundsätzlich nicht nur in den zeitlichen, sondern auch den finanziellen Risikobereich des Auftraggebers. Ob dies aber auch für Fälle höherer Gewalt gilt – die Baustelle wir durch behördliche Anordnung geschlossen – und nicht beherrschbare äußere Einflüsse seine Mitwirkungssphäre fallen, ist weiter offen.
Alles in allem wird man daher die Entscheidung des BGH dahin verstehen müssen, dass der Auftragnehmer in der vorgenannten Konstellation finanzielle Ansprüche nach § 642 BGB geltend machen kann. Die vom BGH in derselben Entscheidung vorgestellten, erheblichen Einschränkungen des Anwendungsbereichs von § 642 BGB dürften sich hier für den Auftragnehmer jedenfalls bezogen auf Personal und Nachunternehmern kaum auswirken. Schließlich stehen ihm aktuell kaum überhaupt Möglichkeiten für einen anderweitigen Einsatz seines Personals und seiner Nachunternehmer zu Gebote. Im Ergebnis dürften auf Auftraggeber also erhebliche Ansprüche zukommen. Für sie kann es daher naheliegen, möglichst zeitnah Abgeltungsvereinbarungen mit ihren Auftragnehmern zu treffen.
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