Wenngleich das Urteil des EuGH zur Unwirksamkeit der HOAI-Mindestsätze vom 04.07.2019 (Az.: C-377/17) in bestimmter Hinsicht zu mehr Rechtsunsicherheit als Rechtssicherheit geführt hat (dazu am Ende), stand eines unweigerlich fest: Der deutsche Gesetzgeber muss eine neue HOAI schaffen. Am 07.08.2020 hat das Bundeswirtschaftsministerium einen entsprechenden Referentenentwurf vorgelegt:
- § 1 RefEntw knüpft nicht mehr an bestimmten Berufsgruppen, sondern rein leistungsbezogen an Ingenieur- und Architektenleistungen an. Die Beschränkung auf inländische Sachverhalte entfällt.
- Ansonsten knüpft der Entwurf an die gleichen Kriterien an, wie bisher (anrechenbare Kosten, Größe der zu beplanenden Fläche, etc.) und behält die bisherige Systematik bei.
- Aber Honorare sollen künftig frei vereinbar sein. Die HOAI soll nur noch die Grundlagen und Maßstäbe vorgeben, an denen sich die Berechnung der Honorare orientieren kann (§ 6 Abs. 1 RefEntw: „Honorartafeln zur Honorarorientierung“).
- Verbraucherauftraggeber müssen explizit darauf hingewiesen werden, dass ein höheres oder niedrigeres Honorar vereinbart werden kann (§ 7 Abs. 2 RefEntw).
- Gleichzeitig ist in § 7 Abs. 1 RefEntw ein sog. Basishonorar geregelt, welches bei Grundleistungen für den Fall gelten soll, dass die Parteien keine wirksame Honorarvereinbarung getroffen haben (vermutete Honorarhöhe). Die neue HOAI stelle so Transparenz der Kalkulation und Vergleichbarkeit der Angebote her, die vor allem der öffentliche Auftraggeber bei seinen Vergaben benötigt.
- Dabei sind die Voraussetzungen für eine wirksame Honorarvereinbarung deutlich herabgesetzt: Gemäß § 6 Abs. 2 S. 4 RefEntw genügt Textform, die im Gegensatz zur Schriftform der HOAI 2013 auch elektronisch übermittelte Erklärungen zulässt. Eine Honorarvereinbarung soll auch nach Auftragserteilung möglich sein (§ 7 Abs. 1 RefEntw).
Überraschend ist: § 3 Abs. 1 RefEnt stellt nun Beratungsleistungen der Anlage 1 mit den übrigen Grundleistungen gleich und erweitert den Grundleistungskatalog deutlich.
Nicht zuletzt deshalb stößt der Entwurf nicht nur auf Zustimmung. Bundesingenieurkammer und Bundesarchitektenkammer kritisieren, es käme zu schwach zum Ausdruck, dass (allein) die Berechnung des Honorars unter Anwendung der Honorartafeln zu angemessenen Honoraren führe. Der Verband Beratender Ingenieure befürchtet häufige Nachverhandlungen.
Zu kritisieren ist auch: Die neue HOAI soll für Verträge ab dem 01.01.2021 gelten. Wie mit Altfällen umzugehen ist, wird nicht geregelt. Wegen der Zielrichtung der durch die HOAI 2013 verletzten Dienstleistungsrichtlinie, vor staatlichen Eingriffen zu schützen, war nach dem Urteil des EuGH unbestritten, dass die Mindest-/Höchstsätze der HOAI 2013 bei öffentlichen Aufträgen keine Anwendung mehr finden dürfen. Umstritten ist, was zwischen Privaten gilt. Abweichend vom OLG Hamm vertraten das OLG Celle und das KG Berlin die Auffassung, dass die Mindest-/Höchstsätze zwischen Privaten keine Anwendung mehr finden dürften. Klarheit sollte der BGH am 14.05.2020 schaffen, der jedoch entschied, die Rechtsfrage dem EuGH vorzulegen.