BGH Urteil vom 01.12.2021 – XII ZR 8/21

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seinem Urteil vom 01.12.2021 zu der Frage Stellung genommen, ob bei staatlich angeordneten Geschäftsschließungen aufgrund der Corona-Pandemie dem Mieter ein Recht auf Kürzung der Miete zusteht. Laut BGH begründet die hoheitliche Betriebsschließung eine Störung der Geschäftsgrundlage, aufgrund derer der Mieter berechtigt sein kann, die Miete zu kürzen. Wie viel Miete letztendlich zu entrichten sei, hänge jedoch von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Bei der Abwägung seien u.a. auch die finanziellen Vorteile zu berücksichtigen, die der Mieter aus staatlichen Leistungen zum Ausgleich pandemiebedingter Nachteile erlangt hat.

Der BGH musste sich in einer seiner jüngsten Entscheidungen mit der Klage des Vermieters eines an den Textildiscounter Kik vermieteten Gewerbegebäudes befassen, der gegen die unterlassene Mietzahlung seines Mieters während der staatlich angeordneten Geschäftsschließung gerichtlich vorging. Mit seiner Entscheidung hat der BGH klargestellt, dass Gewerbebetreibenden, die im Corona – Lockdown aufgrund staatlicher Anordnung ihre Geschäfte schließen mussten, ein Anspruch auf Anpassung der Miethöhe im Zeitraum der Schließung zustehen kann.

Danach kann ein solches Recht des Mieters nicht auf einen vermeintlichen Mietmangel gestützt werden. Denn ein zur Minderung der Miete führender Mietmangel werde durch die staatlich angeordnete Schließung nicht begründet. Dem Vermieter sei durch die Schließung die vertraglich geschuldete Leistung zur Überlassung und Erhaltung der Mietsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand auch nicht ganz oder teilweise unmöglich, da den Vermieter für den Fall einer hoheitlich angeordneten Öffnungsuntersagung im Falle einer Pandemie keine Einstandspflicht treffe. Im Fall einer Geschäftsschließung, die auf einer hoheitlichen Maßnahme zur Bekämpfung der Corona – Pandemie beruht, kommt nach Ansicht des BGH allerdings ein Anspruch auf Anpassung der Miete wegen Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs.1 BGB in Betracht. Jedoch berechtigt auch das Vorliegen einer solchen Konstellation nicht per se den Gewerbemieter zu einer Vertragsanpassung. Vielmehr muss im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände festgestellt werden, ob den Vertragsparteien ein Festhalten an dem unveränderten Vertrag unzumutbar ist. Bei der vorzunehmenden Abwägung sind die Nachteile zu berücksichtigen, die dem Mieter durch die Geschäftsschließung und deren Dauer entstanden sind, als auch die Maßnahmen der Mieter ergriffen hat, um die drohenden Verluste während der Geschäftsschließung zu vermindern. Darüber hinaus sollen bei der Prüfung grundsätzlich auch die finanziellen Vorteile berücksichtigt werden, die der Mieter aus staatlichen Leistungen zum Ausgleich pandemiebedingter Nachteile erlangt hat. Auch eine Vertragsanpassung nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage darf nicht zu einer Überkompensation der entstandenen Verluste führen. Auch Leistungen einer einstandspflichtigen Betriebsversicherung des Mieters könnten bei der Abwägung eine Rolle spielen.

Mit diesem jüngsten Urteil gibt der BGH auch zu verstehen, dass eine pauschale Vertragsanpassung, die eine hälftige Zahlung der Miete vorsehen soll, nicht ohne Weiteres angenommen werden dürfe. Mit seiner Entscheidung legte der BGH verbindliche Leitlinien fest, die für vergleichbare Fälle in dieser Pandemiezeit sicherlich relevant werden dürften. Insbesondere sind die vom BGH aufgestellten Kriterien für eine pandemiebedingte Vertragsanpassung nahezu deckungsgleich auf Bauverträge anwendbar und können für die Beurteilung von pandemiebedingten Behinderungen im Bauablauf herangezogen werden. Bei Fragen hierzu, wenden Sie sich gerne an das Team von Jahn Hettler.